Pittoreskes Porto – heimliche Hauptstadt Portugals
von Kai Hockenjos
„Hier wird nicht gelebt, hier wird gearbeitet", sagt ein altes portugiesisches Sprichwort über Porto, Portugals zweitgrößte Stadt, die auch gerne als „Hauptstadt des Nordens“ bezeichnet wird. Zweifelsohne ist Porto das produktive Zentrum des Landes. Hier konzentrieren sich Reichtum, Industrie- und Wirtschaftsmacht, deren Einfluss sich bis tief in die Lissaboner Politikerkreise zieht, weshalb viele der rund 350.000 Einwohner der Hafenstadt auch gerne von Portugals „heimlicher Hauptstadt“ sprechen. Die Besiedlung Portos fand wahrscheinlich schon in vorrömischer Zeit, am linken Ufer des Douro-Flusses, statt. Auch deshalb heißt es, die Stadt habe dem kleinen Land am äußersten Westzipfel Europas seinen Namen gegeben, denn aus den lateinischen Begriffen „portus“ (Hafen) und „cale“ (Siedlung) wurde „Portucale“ - heute Portugal.
Entdecker, Legenden und Ikonen
Es ist spürbar, an diesem Ort wandelt man auf geschichtsträchtigem Boden. „Infante Dom Henrique o Navegador“, besser bekannt als „Heinrich der Seefahrer“, wurde hier am 4. März 1394 geboren und überall in der Stadt gibt es Zeugnisse des einstigen Prinzen von Portugal, der das Land, durch seine von ihm veranlassten Entdeckungsfahrten, damals zu höchster Blüte führte. Unter seiner Herrschaft wurde Portugal zur weltweit führenden Seemacht, eignete sich Kolonien in Brasilien, Indien, Afrika, Arabien und China an und war einst reichste Nation Europas.
Er selbst, so ist es überliefert, betrat jedoch nur einmal die Planken eines Schiffes, als er mit 21 aus Porto zur erfolgreichen Expedition nach Nord-Afrika auslief und die reiche, marokkanische Handelsstadt Ceuta einnahm. Die Legende besagt, dass aus dieser Eroberungsfahrt auch der Beiname „Tripeiros“ für die Einwohner Portos resultiert. Tripeiros bedeutet übersetzt „Eingeweideesser“, was in Porto keineswegs beleidigend aufgenommen wird. Vielmehr sind die Portuenser stolz auf ihre epochale Entbehrung: Für sein maritimes Heer benötigte Heinrich der Seefahrer 1415 reichlich Essen an Bord und so gaben die Bürger Portos den Seeleuten alles Fleisch der Stadt mit auf die Schiffe, für sie selbst blieben nur die Innereien (Tripas) übrig. Noch heute findet man auf vielen portugiesischen Speisekarten die Spezialität „Tripas à moda do Porto“, Kutteln nach Porto-Art.
Von der einleitenden Redensart spricht heute nur noch die ältere Generation, inzwischen blüht auch in Porto ein buntes kulturelles Leben. Der pittoresken Schönheit der Stadt am Ufer des Douro, mit ihren herrschaftlichen barocken Bauwerken, den gewundenen Gassen und stählernen Brücken, kann man sich nur schwerlich entziehen. Nicht zuletzt Portos bekanntester Exportartikel, der Portwein, benannt nach der Stadt selbst, ist schon Grund genug für einen Abstecher in diese bezaubernde, europäische Metropole.
Romantische Ribeira – kulinarischer Kern am Flussufer
Seit 1996 zählt die Altstadt Portos, die „Ribeira“, zum Weltkulturerbe des Unesco und steht unter Denkmalschutz. Es ist das älteste und eindrucksvollste Viertel der Stadt und wurde einst von Seeleuten und Fischern gegründet, die sich am rechten Ufer des Douro ansiedelten und dem Viertel aufgrund seiner Lage schlichtweg den Namen „Fluss“ (Ribeira) gaben. Heute ist die Ribeira das Vergnügungsviertel der Stadt. Hier reihen sich traditionelle Cafés an alte Gasthäuser, deren Küchen die köstlichsten Düfte entströmen. Die Kochkunst Portos gilt als die Beste des Landes. Hier wird nicht nur das portugiesische Nationalgericht „Bacalhau“ (eingesalzener und getrockneter Kabeljau) auf verschiedenste delikate Arten zubereitet, man kombiniert auch auf höchstem Niveau die Produkte des nahen Ozeans mit frischen regionalen Erzeugnisse. So findet man auf den Speisekarten Stockfischbällchen und gegrillten Tintenfisch neben Blätterteighäppchen mit Rehfleisch oder zartem Douro-Lamm. Gaumenkitzelnd ist auch der Verzehr der beliebten Grünkohlsuppe „Caldo Verde“, die mit einem besonderen Maisbrot serviert wird. Zurück in den Altstadtgassen schlendert man vorbei an antiken Kolonialwarenläden und mondänen Boutiquen. Viele Geschäfte versprühen dabei einen nostalgischen Charme, deren Fassaden mit den klassischen „Azulejos“geschmückt sind, allgegenwärtige handbemalte Kacheln, die Geschichte und Kultur der einstigen Seefahrernation ästhetisch illustrieren.
„O vinho do Porto“ –der Stolz der Stadt
Die zweistöckige Dom-Luís-Brücke verbindet die Altstadt Portos mit der linken Uferseite des Douro. Dort liegt Vila Nova de Gaia. Es ist ein erhabener Moment wenn man über die Brücke schreitet, die im Dunst des Douro zu schweben scheint, und auf das Panorama der Ribeira blickt. Dann verharrt man einen Augenblick im Antlitz der Anmut Portos, bevor es weiter zu den berühmten Kellereien von Vila Nova de Gaia geht, wo der ganze Stolz Portos lagert und reift.
Unmittelbar vor den Gewölbekellern der Portweindestillerien liegen die „Rabelos“ vor Anker, bunt bemalte Portweinboote aus alter Zeit. Die Welt des Portweins ist faszinierend und voller Tradition, leider genießt der „Porto“ im Ausland oft nur den Ruf eines süßen Likörs, was der Komplexität dieser edlen Tropfen nicht gerecht wird. Daher ist eine Führung durch eine der zahlreichen Kellereien unbedingt empfehlenswert, wobei man viel über die Herstellung und Unterscheidung erfahren kann.
Vintage
So besitzt ein alter „Tawny“ etwa eine bernsteinartige Farbe und erinnert an Trockenfrüchte, Nüsse, Feigen oder Schokolade. Der „Vintage“ ist der König unter den Portweinen und Ausdruck der besten Früchte großer Jahrgänge. Ein Vintage wird nur hergestellt, wenn die Trauben eine herausragende Qualität aufweisen, was manchmal nur alle zehn Jahre geschieht. Nach zweijähriger Fasslagerung wird der Reifeprozess in der Flasche fortgesetzt. Einen guten Vintage genießt man frühestens nach 15 oder 20-jähriger Reifung.